Wütend, mit einem lauten Knall, schlug Siggi die Autotür seines roten Alfa Romeos zu, nachdem er auf dem Fahrersitz Platz genommen hatte. Er blickte durch die Windschutzscheibe und sah nicht weit entfernt das hell erleuchtete Neonschild mit der Aufschrift „Zum wilden Hirschen“.
Verächtlich schnaubte er auf. So einen Namen für eine Disco konnten sich nur diese primitiven Hinterwäldler einfallen lassen. Irgendwie war alles schief gelaufen. Dabei sollte es doch sein großer Abend werden. Wozu war er eigentlich die rund hundert Kilometer hierher gefahren?
Er wollte seinen Spaß haben. Irgendeine Landschnepfe aufreißen. Mal so richtig die Sau rauslassen.
Und was war? Gnadenlos abgeblitzt! Sein Freund Günther hatte ihm auf der Arbeit gestern noch großkotzig erzählt wie einfach es wäre in diesem Kaff Weiber rumzukriegen. Hier wären sie noch nicht so durchtrieben wie in München. »Mach doch mal ne Landpartie« hatte er ihm geraten, »du wirst sehen, dort bist du der Hit«.
Sie arbeiteten beide in einem großen Softwarekonzern und verdienten richtig fett Kohle. Nur mit den Frauen lief es nicht so gut. Die Konkurrenz war einfach zu groß in der Stadt. Siggi war mit seinen 34 Jahren nun nicht mehr der Jüngste. Außerdem hatte er einen Bauchansatz und die blonden Haare wurden auch zusehends dünner. Nicht gerade die besten Voraussetzungen um bei der Jagd nach Frischfleisch einen der vorderen Plätze zu belegen. Da musste man schon sein Revier verlegen, wie Günther immer zu sagen pflegte. Na dem Wichser würde er morgen auf der Arbeit was erzählen.
Er schaute auf seine Breitling-Fliegeruhr. Die Leuchtziffern verrieten ihm das es schon nach 1 Uhr war. Zeit sich auf den Heimweg zu machen. Er drehte den Schlüssel im Zündschloss um und startete den Wagen. Mit quietschenden Reifen fuhr er vom Parkplatz und bog auf die Landstraße Richtung München ein. Er schaltete das Radio an. Es ertönten Blasmusik-Klänge. »Sind die denn hier nur bescheuert« fluchte er vor sich hin und drückte wie wild die Stationsknöpfe durch, bis er rockige Rhythmen vernahm. Etwas zufriedener legte er sich in seinen Sitz zurück und zündete sich eine Zigarette an. Nur der Gedanke an die lange Heimfahrt durch diese Ödnis dämpfte seine aufkommende gute Laune gleich wieder.
Der eben einsetzende Regen würde die Heimfahrt auch nicht gerade leichter machen. Er schaltete die Scheibenwischer ein, die sogleich ihre monotone Arbeit aufnahmen. Er versuchte im Geiste den Abend noch einmal Revue passieren zu lassen.
Am Anfang verlief alles noch viel versprechend. Als er in dieser Bauerndisco um 22 Uhr ankam, war er sogleich der Blickfang der Anwesenden. Das konnte er förmlich auf seiner Haut spüren. Kein Wunder! Er hatte ja auch seinen besten Boss-Anzug an und stolzierte mit seinem „Hoppla-jetzt-komm-ich“-Gang durch die Eingangstür. Die Musik im Hintergrund war ganz akzeptabel. Nichts außergewöhnliches, aber immerhin, die angesagten Charthits waren offensichtlich selbst bis hierher vorgedrungen. Wie ein Feldherr ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen um das Gelände zu sondieren. Und tatsächlich, nicht weit entfernt an der Bar standen zwei blond gelockte Landpommeranzen. »Hm, gar nicht so übel der Anblick«, dachte er und lief schnurstracks auf sein anvisiertes Ziel zu. Mit einem strahlenden Perlweißlächeln und als würden seinem Rücken Pfauenfedern entwachsen, baute er sich vor den beiden auf. Sogleich begann er mit der Balz. »Na Mädels, scheint ja noch nicht viel los zu sein hier. Aber euer Anblick tröstet meine entzündeten Augen.« Die beiden blickten ihn für einen Moment lang erstaunt an, um in der nächsten Sekunde loszukichern wie kleine Schulmädchen.
-> weiter Seite 2