Zimmer 312

Nach einer so genannten Grundausbildung, bekam sie den ersten Auftrag. Bei einem Überfall auf eine Bank sollte sie den Fluchtwagen fahren. Sie waren zu viert. Sie am Steuer, Jürgen neben ihr und auf der Rückbank saßen Karin und Roland. An einem Freitag Nachmittag fuhren sie zu dem auserkorenen Objekt. Sie parkte nicht weit entfernt vor dem Eingang auf einem Parkplatz. Die anderen betraten ruhig und wie es schien gelassen den Schalterraum. Allein im Auto wartend, huschten ihre Blicke aufgeregt zwischen dem Rückspiegel und der Bank hin und her. Nach einigen Minuten die nach ihrem Gefühl nicht enden wollten, sah sie die drei aus der Bank rennen. Just in dem Moment, als sie den Wagen startete, bogen um die Ecke mit Blaulicht und quietschenden Reifen zwei Polizeifahrzeuge. Im nächsten Augenblick – die Ereignisse überschlugen sich, fielen auch schon die ersten Schüsse. Roland und Jürgen hatten das Feuer eröffnet. Hastig, die Schüsse erwidernd, stürzten die Polizisten aus dem Auto und sprangen sogleich dahinter in Deckung.

Ihre drei Gefährten hatten den Wagen fast erreicht, als sie mit weit aufgerissenen Augen sah, wie Jürgen unvermittelt in seinem Lauf stoppte, sich ruckartig aufrichtete, um danach wie in Zeitlupe zu Boden zu fallen. Einen animalischen Schrei ausstoßend verließ sie den Wagen, zog ihre Waffe und feuerte wie wild in Richtung Polizei. Doch noch bevor sie bei Jürgen ankam packte sie Roland am Arm und zerrte sie zurück zum Auto. Ihr immer wieder ins Ohr schreiend das Jürgen tot sei und sie verschwinden müssten, stieß er sie durch die offene Beifahrertür und umrundete den Wagen. Karin hatte sich schon auf die Rückbank geworfen als er auf der Fahrerseite Platz nahm und ohne zu zögern los fuhr. Nach Sekunden der Fassungslosigkeit griff sie Roland ins Steuer und brüllte sie müssten umkehren und Jürgen retten. Roland schlug ihr brutal auf die Hand und brüllte zurück, sie solle keinen Scheiß reden. »Jürgen ist tot. Hörst du – tot! Ihm kann niemand mehr helfen.«

Wie ein Echo hallte es in ihren Ohren »Tot, tot!« Ohne jegliche Kontrolle begann sie hemmungslos zu weinen. Währenddessen hatte Roland eine Tiefgarage erreicht. Durch einen Tränenschleier nahm sie wahr, dass sie an dem geheimen Ort für eventuelle Rückzüge angekommen waren. Hier standen mehrere Fahrzeuge für Notfälle bereit. Roland sagte zu ihr und Karin, die bis jetzt nur blass und stumm auf der Rückbank saß, sie müssten sich trennen. Jeder wüsste ja Bescheid wo er vorerst untertauchen könne. Die Brigade würde dann, wenn sie es für angebracht hielt, mit ihnen Kontakt aufnehmen. Bis dahin sollten sie in Deckung bleiben. Seit jenem unvergessenen Tag war sie auf der Flucht.
Eine Odyssee durch verschiedene Länder und wie es ihr immer häufiger erschien – fremde Welten.
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